s’Rächezentrum – Projekt Brunnen Oberfeldpark Geralfingen

„s‘Rächezentrum“ mag man primär mit einer Datenverarbeitungseinheit oder einem Datenverabeitungszentrum in Verbindung bringen. Diese Irreführung ist durchaus intentional und soll die zunehmende Digitalisierung unserer globalen Welt auf eine etwas humorvolle Art und Weise parodieren.
Zwar integriert auch die Industrie und so auch das Stahlwerk Gerlafingen zunehmend die Digitalisierung in logistische- und produktionsbedingte Abläufe und profitiert somit von gesteigerter Effizienz und Produktivität.

Das physische „Rächezentrum“ im Herzen des Oberfeldparks in Gerlafingen soll aber nicht die Digitalisierung als Hauptthema aufgreifen, sondern ein Bild auf die weitreichende und interessante Geschichte der Stahlverarbeitung in Gerlafingen zeichnen, welches das „stählerne“ Handwerk am Anfang, über die weitreichenden sozio-ökonomischen Nebenbereiche wie die Flösserei bis zur maschinellen Industrialisierung beleuchtet, und einem Rechen entsprechend die Menschen an diesem Ort zusammenbringen, „anhäufen“ und als Zentrum für die erholende, friedliche und gemütliche soziale Interaktion dienen soll.

KONZEPT

Das Stahlwerk entwickelte sich vor zweihundert Jahren von einem Erzabbaubetrieb über ein Hammer- und später ein Walzwerk, hin zu einem diversifizierten Verhüttungswerk bis in die heutige Zeit als ein zentrales Stahlverarbeitungs- und Alteisenaufbereitungszentrum. Nicht aber nur die Verarbeitung von Eisen und Stahl prägte die Geschichte der Stahl Gerlafingen Industrie und das gleichnamige Dorf, sondern über die verschiedenen zeitlichen Epochen hinweg zogen Dorf wie Stahlwerk eine Vielzahl von Menschen und viele unterschiedliche Betriebe an. Der Abbau und die Verarbeitung des Eisens bedingte nicht nur Raum, sondern auch Logistik und Energie. Für die Verhüttung des Eisens wurden überregional und -kantonal Konzessionen für das Schlagen von Holz erworben, in Folge grosse Waldflächen gerodet und dessen Holz auf den natürlichen Wasserwegen wie der Emme als Flosse nach Gerlafingen gebracht. Die Emme, ihr Wasser und die für die Verhüttung erforderliche Energie brachte die Flösserei mit ihren eigenen abenteuerlichen Geschichten hervor, mit welchen die Region stark verbunden war. Das durch die Flösserei transportierte Holz wurde mittels eines Rechens in der Emme aufgefangen, gesammelt und an Land für die Verarbeitung durch die Kohlebrenner gebracht. Die daraus entstandene Holzkohle diente als Energieressource für das Verhütten des Stahls, bis diese durch die aufkommende Steinkohle und auch der Ausbau der Eisenbahn allmählich abgelöst und ersetzt wurde und folglich nicht nur wirtschaftliche, sondern auch soziale Umwälzungen und Weiterentwicklungen zur Folge hatte.

Im Laufe der Zeit entstand neues Gewerbe und verging auch wieder, Menschen kamen und zogen wieder fort. In all den Jahrhunderten aber blieben und entwickelten sich Dorf und die heutige Stahl Gerlafingen stets und eine Weiterentwicklung auch in Zukunft darf mit Zuversicht und hoffnungsvoller Erwartung angenommen werden.

RECHEN IN DER EMME UND DIE FLÖSSEREI

Der skulpturale Brunnen "s‘Rächenzentrum" darf durchaus als Sinnbild dieser gemeinsamen Geschichte von Gerlafingen und seiner Stahlindustrie verstanden werden und bildet zugleich auch sinnbildlich ein Zentrum, an welchem verschiedenes zusammentrifft und -kommt. Menschen sollen hier zusammenkommen, sich treffen und austauschen können. Durch zwei gegenläufige, in einer spiralähnlichen Form angelegte Rechen Konstrukte sollen sinnbildlich die Menschen an diesem Ort auffangen und sammeln, ähnlich wie es einst der Rechen in der Emme das geflösste Holz auffing.
Die beiden Rechenstrukturen werden durch 154 Vierkantstabstähle in unterschiedlichen Längen gebildet konstituiert. In der Aufsicht mag die Rechenform in abstrahierter Form an zwei ineinandergreifende Bundhaken erinnern, wie man sie bei der Flösserei auch heute noch verwendet und als Emblem auch das Gerlafingen Wappen ziert.

Die Flösserei war ein wichtiger Bestandteil der früheren Stahlverarbeitung in Gerlafingen, brauchte man doch viel Holz für die Energiegewinnung bei der der Verhüttung von Stahl. Dieses Holz wurde überregional auf der Emme durch die Flösserei nach Gerlafingen geführt, wo das Holz von einem Rechen in der Emme aufgefangen wurde, um es folglich an Land für die Weiterverarbeitung zu holen.

Der Objektbrunnen ist massgebend durch einen solchen Rechen inspiriert. So sind wie einst in der Emme im auch im Brunnen zwei Rechenkonstruktionen angebracht. Das im Durchmesser 9m grosse runde Becken symbolisiert die Emme. Die darin geometrisch angeordneten Polygone aus verwittertem Metall, von welchen einige knapp aus dem Wasser ragen, tragen eine dreifache Symbolik. Einerseits symbolisieren sie das Steinbett der Emme, zweitens und durch die braune Rostfärbung naheliegend, verweisen diese auf das in früheren Zeiten geflösste Holz, welches von den Rechen aufgefangen wird. Drittens aber verweisen die speziell angeordneten Polygone auf die Gemeinde Gerlafingen, seine Entstehung und zukünftige Weiterentwicklung. Dabei greifen die Polygone ein mathematisch-geometrisches Muster auf, welches in der Biologie, der Chemie, Meteorologie, Architektur, Soziologie und Stadtplanung zu Bedeutung gelangt. Es handelt sich dabei um sog. nach ihrem Entdecker benannte Voronoi-Regionen. Solche werden definiert durch eine bestimmte Anzahl Punkte in einem zwei- oder dreidimensionalen Raum, welche die Zentren der jeweiligen Regionen bilden und diese wiederum definiert und begrenzt werden durch alle Punkte des Raums, die diesem Zentrum näher sind als irgendeinem anderen. In städteplanerischer Hinsicht können solche Diagramme auch dazu genutzt werden, um optimal verteilte Erholungszonen (wie z.B. der Oberfeldpark) zu planen.

Einige dieser aus dem Wasser ragenden Voronoi-Inseln sind mit alten, gebrauchten Von Roll Schachtdeckel bestückt und bilden eine stille Reminiszenz an die Blütenzeit der Stahlverarbeitung der damaligen Von Roll AG und deren Gussprodukte.

Die unterschiedlichen Voronoi-Kuben laden bei warmem Sommerwetter dazu ein, den Brunnen für eine kühlende Erfrischung zu begehen. Den halbkreisförmigen Rechen entlang folgt man auf den Inseln zur Mitte des Brunnens, welcher durch einen kreisförmigen Wasservorhang gebildet wird. Dieser Wasservorhang ergänzt mit insgesamt 46 Wasserausgüssen die 154 Rechenstabstahlelemente zu 200 Stück, was dem Jubiläumsjahr der Stahl Gerlafingen entspricht. Das Wasser steigt in einem Vierkantstahlrohr durch eine Leitung auf gute 5 Meter empor, verteilt sich in einem Messing/Bronzen-Ring mit einem Durchmesser von 2 Metern und fällt durch die speziell angefertigten Ausgüsse hinab in den Brunnen.
In der Aufsicht bildet der Grundriss dieser Rechen- und Ringelemente folglich eine Art Wirbel oder vielmehr eine Spirale, welche die Dynamik, die Entstehung und Geschichte, das Bestehen und die Weiterentwicklung einerseits der Gemeinde Gerlafingen und zweitens auch vom Stahlwerk Gerlafingen darstellt.

Ergänzt wird diese dynamische Spiralform durch die im Aussenbereich des Brunnens und im Park positionierten Elemente, welche eine in der Unendlichkeit verlaufende Weiterentwicklung der Dynamik suggerieren. Diese Elemente bestehen einerseits aus speziell zusammengetragenem, in Würfelform gepressten Metallschrott und andererseits aus zu Stahlwürfel geschweissten Kuben in unterschiedlichen Grössen. Am anderen Ausläufer der Spiralform sind es ebenfalls geschweisste, verwitterte Metallkuben, zuweilen kunstvoll bestückt mit Hydranten oder anderen Gussprodukten der ehemaligen Von Roll AG oder auch aus Bewehrungsstahl geschweissten Kuben. Diese erweiterte Spiraldynamik suggeriert den Wiederverwertungszyklus von Stahl im Stahlwerk Gerlafingen. Altmetall und Schrott werden angeliefert, rezykliert und unter dem Begriff der Urban Mining zu neuen Produkten verarbeitet, wobei dafür die Verarbeitung zu Stabstahl und Bewehrungsstahl, den Hauptprodukten von Stahl Gerlafingen, besonders gut geeignet ist.

DIMENSIONEN

Bezüglich der Dimensionen weist das kreisrunde Brunnenbecken einen Durchmesser von 9 Meter auf, die Rechenstaketen reichen bis auf 5 Meter in die Höhe und der Brunnenrand ragt mit 10 cm nur geringfügig aus dem Boden, was sich für das Betreten einladend und animierend auswirkt. Am Beckenrand weist der Wasserspiegel eine Tiefe von 11 cm auf, in der Mitte beim Ablauf eine maximale Tiefe von 20 cm, was den gängigen Sicherheitsanforderungen entspricht und mit einem Gefälle von 2% die Beckenentleerung für die Wartung des Brunnens vereinfacht.

Durch den niedrigen Beckenrand und die lichten Staketenelemente der Rechen bildet der Objektbrunnen ein eigenständiges, auffälliges und kontraststarkes Element in der natürlichen Umgebung des Parkes, korrespondiert aber in materieller, farblicher und formbezogener Hinsicht mit dem Park.

s'Rächezentrum Dimensionen, Patrick Thür - Thür Art Manufacture

PROJEKT

Geplante Fertigstellung:                       2024

Planung und Konstruktion:                 Patrick Thür, Thür Art Manufacture, Rüti ZH

Fertigung Metall- und

Spenglerarbeiten und Montage:         Patrick Thür, Thür Art Manufacture, Rüti ZH